22 Jan
Die ganze Welt erstickt in Chaos und Krieg. Die ganze Welt? Nein, in Bhutan, einem kleinen buddhistischen Königreich im Himalaya, ist die Welt noch in Ordnung. Bis der König auf die Idee kommt, sein Volk glücklich machen zu wollen, indem er ihnen zuerst Zugang zu Internet und Fernsehen gibt und dann auch noch die Demokratie einführt.
„Wir sind doch schon glücklich“, denken sich die Menschen verwirrt. Sie sollen lernen, wie Wahlkampf funktioniert, während nebenbei ein so genannter „007“ im TV rumschießt.
Also werden Probewahlen anberaumt. Kaum haben sich die ersten Kandidaten positioniert, tun sich Risse auf in der Gesellschaft. Wehe, jemand ist für den „falschen“ Möchtegernpolitiker.
Dem alten, hochverehrten Lama (Kelsang Choejay) reicht es. Er beauftragt einen jungen Mönch, ein Gewehr heranzuschaffen (Leichter gesagt als getan in einem Land, in dem kaum einer eine Waffe hat und viele gar nicht wissen, wie ein Gewehr aussieht.) und kündigt eine wichtige Zeremonie an. Die Spannung im Dorf steigt, die Vorfreude ist riesig … Aber was will der Lama mit dem Gewehr?
Pawo Choyning Dorji debütierte 2019 mit »Lunana«, in dem er einen Lehrer mit Auswanderungsplänen in der entlegensten Schule Bhutans den Wert heimatlicher Verbundenheit lernen ließ. Gedreht wurde seinerzeit mit einem Miniteam am nichtelektrifizierten Originalschauplatz.
Diesmal ging es vergleichsweise gemütlich zu, ist doch das Dorf Ura, in dessen Umgebung die Orte der Handlung liegen, ans Stromnetz angeschlossen und mit dem Auto erreichbar. Was will dort nun also der Lama mit dem Gewehr? Beziehungsweise warum erzählt Pawo Choyning Dorji – der neuerlich ein eigenes Drehbuch mit großteils Laiendarstellern in Szene setzt – seine Geschichte?
Die Folgen des Systemumbruchs, den Bhutan in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat, sind zur Gänze noch gar nicht abzusehen; da mag eine Erinnerung an jene Phase, in der die traditionellen Werte des Landes sich frisch herausgefordert sahen, mehr als nur den Zweck eines nostalgischen Rückblicks erfüllen.
Jene Zeremonie nämlich, die der Lama am Ende durchführt, verfügt durchaus über globale Strahlkraft. Sie bestätigt zudem, was der Filmemacher selbst als Motiv seiner Arbeit mitteilt: Bhutan mag keine übermäßig laute Stimme haben, es hat aber der Welt Wichtiges mitzuteilen, auf das zu hören lohnt.